Akzeptanz des Nationalparks Bayerischer Wald
Bearbeitung: Robert Liebecke, Dr. Klaus Wagner
Laufzeit: 10 /2007 - 10/2008
Förderung: Nationalpark Bayerischer Wald
Projektbeschreibung
Schlagworte
Bayerischer Wald, Akzeptanz, Bevölkerung, Nationalpark, Nationalparkverwaltung
Theorie
Akzeptanz wird als positive bis wertneutrale Ausprägung der psychosozialen Größe Einstellung verstanden. Einstellung ist als Ergebnis eines Wahrnemungs- und Bewertungsprozesses zu verstehen. Sie lässt sich in den drei Dimensionen messen (affektiv, kognitiv, konativ). Zudem geben tatsächliche Handlungen Auskunft über die Ausprägung der Größe Einstellung.
Akzeptanz kann von einem Akzeptanzsubjekt (hier der lokalen Bevölkerung des Bayerischen Waldes) einem Akzeptanzobjekt (hier der Nationalpark Bayerischer Wald) entgegen gebracht werden. Auch eine wertneutrale Haltung kann bei bestehenden Konflikten schon als Akzeptanz verstanden werden. Das Gegenteil von Akzeptanz wird als Nicht-Akzeptanz bezeichnet. Der Akzeptanzkontext (das heißt hier vor allem die äußeren sozialen und kulturhistorischen Gegebenheiten) sind bei der Betrachtung der Problematik von wesentlicher Bedeutung.
Problemdarstellung
Im Falle des Nationalparks Bayerischer Wald ist von einem grundlegendem Wertkonflikt zwischen Teilen der lokalen Bevölkerung und dem Nationalpark bzw. dessen Verwaltung auszugehen. Im Kern des Konfliktes steht einerseits ein traditionelles Heimatbild, in der die Bewirtschaftung der Wälder und der Erhalt der durch den Menschen geformten Kulturlandschaft eine große Rolle spielt, und andererseits ein Naturschutzkonzept mit dem Ziel einer sich selbst überlassenen Wildnis. Seinen Ausdruck findet der Konflikt vor allem in Diskussionen über die Bekämpfung des Borkenkäfers im Nationalpark. Nach den Stürmen Vivian und Wiebke 1990 wurden größere Windwurfflächen nicht aufgearbeitet. In der Folge kam es in den Jahren 1995 - 2000 zu einer starken Massenvermehrung der Borkenkäfer, wodurch über 3000 ha alter Fichtenbestände in Teilen des Nationalparks abstarben. Die Entscheidung, die Windwürfe nicht aufzuarbeiten und die Borkenkäferbekämpfung auf die Randbereiche des Nationalparks zu beschränken entspricht dem Konzept der Nationalparkverwaltung "Natur Natur sein zu lassen", wird aber von Teilen der lokalen Bevölkerung stark kritisiert.
Die Erweiterung des Parks 1997 brachte neues Konfliktpotential. Auf Drängen der beteiligten Kommunen wurde die Frist für die von der IUCN geforderte Ausweisung von 75% der Nationalparkfläche zu Naturzonen in der Erweiterungszone um 10 Jahre bis 2027 verlängert. Dieser Zeitraum wird unter anderem dazu genutzt werden, die Fichtenmonokulturen durch das Pflanzen von Laubbäumen besser vor dem Borkenkäferbefall zu schützen. Ein Kompromiss, der sicher auch im Sinne einer allgemeinen Akzeptanzsteigerung geschehen ist. Seit seinem Bestehen gibt es Auseinandersetzungen über den Nationalpark, wobei sich konträre Lager von Nationalparkbefürwortern und Nationalparkgegnern herausgebildet haben. Wie jedoch die breite Masse der Bevölkerung über den Nationalpark denkt und welche Unterschiede sich bei der Akzeptanz zwischen Nationalpark-Altgebiet und dem Erweiterungsgebiet zeigen, gilt es in diesem Projekt herauszufinden.
Methoden
Quantitative (Telefonbefragung mit 600 Befragten) und qualitative (Leitfadeninterviews mit zentralen Stakeholdern) Methoden der empirschen Sozialforschung
Ergebnisse
Die Auswertung der Telefonbefragung hat gezeigt, dass es die Akzeptanz des Nationalparks nicht gibt, denn unter verschiedenen Gesichtspunkten genießt der Park ganz unterschiedliches Ansehen. Die traditionellen Vorstellungen der Einheimischen von einem „aufgeräumten“ Wirtschaftswald sind tief verwurzelt, so dass in Hinsicht auf das verfolgte Wildniskonzept wohl schwer umfassende Akzeptanz erreicht werden kann. Spricht man vom Nationalpark als Förderer des Tourismus in der Region, so erhält man ein sehr viel positiveres Akzeptanzbild, welches letztendlich stärker wirkt als die Kritik am Umgang mit dem Wald. Die Bedeutung der Faktoren Partizipation/Kommunikation sowie persönliche Freiheitseinschränkun-gen erscheint insgesamt eher gering.
Der überwiegende Anteil der Bevölkerung ist zur Gruppe der Inaktiven zu zählen, denn der Nationalpark ist für die meisten kein Thema von hoher Relevanz. Über 60 Prozent der Befragten sind inaktiv. Geht man davon aus, dass vor allem Personen aus dieser Gruppe die Teilnahme an der Befragung verweigert haben, so ist der Prozentsatz noch höher anzusetzen. Je nach Fragestellung schwankt die Einstellung in dieser Gruppe zwischen Zustimmung und Ablehnung. Spricht man über das Waldmanagement, so urteilen viele, die keine feste Einstellung zum Nationalpark haben, eher negativ. Gründe dafür sind wohl einerseits die traditionellen Wertvorstellungen, die einen aufgeräumten Wald fordern und andererseits das große Unwissen über die Entwicklungen, die im Nationalparkwald ablaufen. Beim Thema Tourismus fallen die Meinungen eher positiv aus, wodurch letztendlich auch ein grundsätzlich positives Abstimmungsergebnis über den Fortbestand des Nationalparks erzielt wird. Diese Gruppe ohne feste Einstellung ist auf Grund ihres geringen Interesses am Nationalpark über dessen Informationsangebote schwer erreichbar.
Die beiden Gruppen Wohlwollende/ Ablehnende stellen knapp unter 30 Prozent der Be-fragten dar. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Meinung über den Nationalpark verbal nach außen vertreten.
Äußerst gering sind die Anteile der Gruppen aktive Befürworter und aktive Kritiker. Nur etwa elf Prozent handeln aktiv, wobei die aktiven Befürworter des Nationalparks anteilig leicht über-wiegen. Der Einfluss der Contra-Aktiven auf das Meinungsbild der Bevölkerung darf trotz des relativ geringen Anteils nicht unterschätzt werden, denn der Kommunikation zwischen diesen Kritikern und ihrem persönlichen Umfeld kann eine größere Bedeutung zugemessen werden.Die sehr geringen Fallzahlen beschränken zwar die statistische Aussagekraft von Vergleichen zwi-schen aktiven Befürwortern und aktiven Kritikern. Einige wesentliche Unterschiede seien in Folgenden dennoch aufgeführt:
- Aktive Kritiker sind im Durchschnitt älter als die aktiven Befürworter (59/ 52 Jahre).
- Die aktiven Kritiker verfügen über einen durchschnittlich geringeren Bildungsabschluss als die aktiven Befürworter.
- Aktive Kritiker nutzen deutlich weniger Angebote der Nationalparkverwaltung zur Informationsgewinnung.
Ergebnisse der Studie in einem Bericht des Bayerischen Rundfunks.
Veröffentlichungen
Liebecke, R.; Wagner, K.; Suda, M. (2009): Nationalparks im Spannungsfeld zwischen Prozessschutz, traditionellen Werten und Tourismus – Das Beispiel Nationalpark Bayerischer Wald. In: Verein zum Schutz der Bergwelt (Hrsg.): Jahrbuch 2008. München: 125-138.
Liebecke, R.; Wagner, K.; Suda, M. (2010): Akzeptanzforschung zu Nationalparken – Ein empirisches Beispiel aus dem Nationalpark Bayerischen Wald. Natur und Landschaft 11/2009: 502-508.